Mit jemand reden und danach Tanzen gehen (tat gut, aber viel zu teuer für mich)
Wirklich enorm, wie sowas gut tut. Drei Stunden getanzt, und vorher eine Stunde lang gegen Geld jemandem erzählt, was mich bezüglich meiner Lebenssituation beschäftigt. Prima, beides. War echt mal nötig.
Zuvor den Tag mit dem Verfassen eines Artikels für meinen Blog sowie einer Radtour und einem netten Aufenthalt am Rhein verbracht, nachdem am Radladen ich angepfiffen worden war, was mir denn einfiele, gegen den Jan die Polizei zu rufen. Hatte ich gemacht, weil der Kerl mir null Respekt entgegen bringt, dafür mich verleumdet bei allen anderen. Mir war schlicht nichts anderes eingefallen, was überhaupt gehen hätte können …
Also, hatte meine erste Therapie-Stunde seit 10 Jahren, und meine erste Tanz-Session seit gefühlt einer Ewigkeit, bisherige Versuche in Köln eher weniger gut gewesen in den letzen Monaten.
Wobei, neulich im Gebäude 9, da war es kostenlos (Getränke halt) und spitzenmäßig, Kitty Atomic und Miss Stereo, die beiden DJ-Frauen, die sind sehr genial.
Bloß bin ich ja ‚arbeitender‘ Harz-4-Mensch, Aufstocker genannt – und von der Arbeit bleibt bei mir nicht mehr als ~ 2,70€ pro Stunde hängen. Aktuell arbeite ich fast nix, lediglich 3 Stunden in der Woche bezahlt und 2-3 unbezahlt sowie eine Supervisionsstunde ab und zu.
Wofür ich mir dann ein Mittagessen kaufe. Also Null Einnahmen.
Tatsächlich 8,10€ Einnahmen, abzüglich 3,20€ für KVB und 9,50€ für einen Burger mit einer Fritz-Cola bei Zimmerman’s Burger – die sind so dermaßen lecker, beste Burger ever! Und ja, es gibt Bio-Beef oder auch Vegan. Ergibt ein Minus von 4,60€. Bei einem Zeitaufwand von 5-8h.
Der Anreiz, mehr zu machen, ist da natürlich nicht gerade hoch.
Und weil ich gerade Krise hatte, hat mir der Chef auch untersagt, mehr Patienten zu nehmen (obwohl meine Warteliste voll ist und ich Stunden und Geld brauche). Allerdings ist es so, dass ich meine Seminare fast alle durch habe, und ich nehme chronisch zu wenig Supervision (weil die mir in der Regel wenig bis nix bringt, leider).
Die Arbeit wird immer erst ein halbes Jahr später vergütet, wobei ein ganzes Quartal auf einen Schlag ausgezahlt wird. Dadurch ist es immer eine Überraschung, wenn Geld kommt – und wie viel. Und kaum ist es da, ist es weg – für Schuldentilgung plus in der Regel eine Wunsch-Anschaffung.
6€ am Tag für alle Ausgaben gibt mir die Grundsicherung (und meine Miete von 450€ sowie die TK-Krankenversicherung). Da reißt ein Tag wie der heute, wo ich mal Mensch war, ein ziemliches Loch in den Finanzplan.
Tatsächlich würde rein gar nichts gehen, wenn nicht meine Eltern mir helfen würden. Wäre das nicht so, ich hätte wenig Alternativen zu Kriminalität und/oder Obdachlosigkeit. Brauche dringend ein zweites finanzielles Standbein. Oder eher überhaupt mal was, wo Geld rein kommt.
Ich fahre immer Fahrrad, heute war ich aber zu spät dran für Bahn oder Rad – und bin mit einem Funkmietwagen gefahren. Kostet 15€.
Rad fahren in der Innenstadt, immer lebensgefährlich. Im Schnitt zwei Mal pro Tag bin ich beinahe tot, wegen krasser Idiotie von Autofahrern. Weil mein Lastenrad kein Fahrrad ist (es ist mehrspurig, paßt auf Kölner Radwege nicht drauf, weil die teilweise Handtuch-breit sind, und darf da auch eigentlich gar nicht fahren), bin ich – wenn irgend möglich – auf der Straße unterwegs.
Neulich drängte mich eine Taxi-Fahrerin ab, ich fuhr in den 2-spurigen Gegenverkehr, der sich mit 70-100 Km/h näherte – und bin beinahe mit dem Dreirad umgekippt bei einem gefühlt Millimeter-knappen Ausweichmanöver. Die entgegenkommenden Fahrer haben fett gehupt (aber nicht gebremst), und ich wäre sicher tot gewesen, wenn sie mich erwischt hätten. An der Ampel erklärt mir diese türkische Taxi-Fahrerin dann aus dem Fenster heraus seelenruhig, sie habe ausscheren müssen, und überhaupt, es sei ja nichts passiert. Und ich, dem Herzinfarkt gefährlich nahe, ein Puls wie ein Boxer nach 10 Runden – war zu geschockt, um mir ihr Nummernschild zu merken bzw. sie zu fotografieren … weswegen ich diese Geschichte nicht mal zur Anzeige bringen kann.
Also vor der Therapiestunde wegen der Idee, lieber entspannt anzukommen, und wegen der knappen Zeit, mich chauffieren lassen. Am Barbarossa-Platz bemerkt, ich habe den Zettel mit der Adresse nicht dabei, also angerufen, und dann gelaufen.
Die richtige Station wäre Eifelstraße gewesen, eine Station weiter, als ich mich habe bringen lassen.
Mein Therapeut ist Heilpraktiker Psychotherapie, da habe ich sofort einen Termin gekriegt (statt Wartezeit von Monaten und Passung ausprobieren mit Psychologischen Psychotherapeuten) und privat 50€ für 90 Minuten gezahlt (statt dass die Krankenkasse 80€ für 50 Minuten zahlt).
Nix mit Diagnosen, Probatorik, Anträgen, Gesundheitskarte – sondern gleich in medias res. Angenehm, die 90 Minuten. Ich natürlich nach 50 Minuten den ‚Stunde ist zu Ende‘-Reflex gehabt, dann erleichtert festgestellt, paßt, ich habe noch Zeit. Sehr feine Sache.
Der Kai, der ist sehr sympathisch, vielleicht ein wenig zu normal für so eine Gestalt wie mich, keine Ahnung, ging aber — und er hatte mal einen Borderline-Freund, da hat er viel draus gelernt, er leitet jetzt eine Selbsthilfegruppe für Menschen, die durch sowas geschädigt worden sind – also von daher ideal.
Da mir nie jemand freiwillig länger als 5 Minuten zuhört, wenn ich was Schwieriges von mir erzählen mag, war es ein verdammter Luxus, mal ohne Unterbrechung oder Abwertung und Einwände reden zu dürfen.
Auch toll: Tipps bekommen.
Danach musste ich mich allerdings erstmal sortieren, und habe an einem Kiosk ein Kölsch getrunken, und da die Sandra kennen gelernt, eine patente Frau, die aber sehr übel soziale Schwierigkeiten hat (da war wieder die ganz normale Situation, dass mir Menschen ihre Geschichten erzählen). War spannend und lehrreich, habe uns dann noch zwei Getränke besorgt.
Und dann weiter in der KVB, Linie 15 zum Friesenplatz … da war ein Blinder am Schnorren, dem habe ich ein Stück von meiner Schokolade gegeben, weil: Kein Geld mehr einstecken. Steck es mir einfach in den Mund, sagt er. Ich: Ist aber eine ganze Rippe. Paßte, fand er lecker, ich auch. Milka Karamell, 0,60€ am Kiosk. Weil, hatte noch nichts gegessen, und bloß Kaffee und Kippen gehabt.
Ein junger offenbar wohlhabender Schnösel mit entsprechender ‚Bildung‘ imponierte mir negativ, der meinte, laut anmerken zu müssen, dass der Blinde ja nur so tue; der sei gar nicht wirklich blind. Na klar. Vermutlich fährt er privat einen Porsche. Wie eigentlich alle solchen Sozialbetrüger. Und selbst wenn er nur behindert tut, wer meint, das Betteln leicht ist, soll es bitte mal machen. Ich habe das mal versucht, und es ist elend schwer, aus verschiedenen Gründen. Nicht zuletzt deswegen, weil die Konkurrenz enorm ist. Und die Herzen der Menschen aus Stein, und ihr Kopf voller BILD-Zeitung und TV und fiesen Vorurteilen.
Gibt wirklich extreme Kotzbrocken auf der Welt …
… während der Bettler mir auf mein Kompliment für seine durchdachte Technik, nämlich, dass er einen Karabinerhaken an seinem Schnorr-Becher hat, und den an der Jacke fest gemacht – erklärte, ja, das habe er seit vorgestern, denn da habe man ihn beraubt, als er aus dem McDonalds kam; jemand habe ihm den Becher mit Kleingeld aus den Hand gerissen, und das wolle er ungern wieder erleben müssen.
Am Friesenplatz beschlossen, ich brauche noch was, Bewegung und Musik, ich kann so unmöglich einfach heim gehen, wenn es in mir so am sich bewegen ist. Geld gezogen am Bankomat, 100€. Eltern haben Überbrückung gegeben, denn der WBA (Weiterbewilligungsantrag) für mein Harz-4 ist auf dem Amt noch nicht bearbeitet, weil meine Einkünfte noch nicht nachgewiesen und kleiner meiner Zuverdienstgrenze sind -ergo Null Kohle vom Amt gekriegt, bisher, obwohl ich bereits 3 Mal da war. Daher zahle ich auch wieder GEZ, weil: Kein Bescheid, keine Befreiung möglich. Uncool.
Dann zunächst ins scheue Reh, wo ich zwei Türken traf, die beide eine enorme Wuschelfrisur hatten, Zwillinge waren und gerade ihren 30. Geburtstag feierten. Sehr gutes Gespräch mit dem einen – auf Englisch, weil kein Deutsch, und mein Türkisch eher noch nicht so fließend.
Außerdem jemandem seine Tasche gesichert, die der einfach draußen hatte liegen lassen, mit Ausweis drin und allem. Wäre sicher weg gewesen, wenn ich nicht danach geguckt und sie drinnen abgegeben hätte – die Ecke wimmelt vor armen Leuten, die solche Gelegenheiten nutzen.
Dann ins Gewölbe, zum Tanzen. 10€ Eintritt, und Getränke (Cola, Wasser) auch so 3€. Rauchen draußen, tanzen drinnen, schwierig mit der Kälte und dem Schwitzen, ging aber irgendwie. Alle dort sehr jung, so 20-25 Jahre jünger als ich. Und tanzen haben sie sich kaum getraut, dafür Unmengen Alkohol zu brachialen Preisen in sich rein geschüttet und ziemlich viel sehr plattes Zeugs geredet, jedenfalls die, die in Hörweite von mir sich ausgetauscht haben. Ok, war ja nicht da, um neue Impulse zu kriegen, sondern meinen Körper durch zu bewegen.
Nach drei Stunden Tanzen – unterbrochen durch einen Kaffee um die Ecke – war ich sehr Tiefen-entspannt, und hatte genug von der Elektro-Mucke. Immerhin, die war diesmal sehr viel abwechslungsreicher als neulich, wo ich da auch schon mal war. Sich für Leute zu interessieren kam mir nicht in den Sinn, und wäre auch schwierig gewesen, weil: Arg laut, viel buntes hektisches Licht, also Wahrnehmung sowohl erschwert als auch überladen mit Eindrücken. Und genau einen Menschen erspät, der auch tanzen konnte – alle anderen hatten wohl den Körperklaus-Tag oder so, vielleicht auch sozial gehemmt, ungeübt, keine Ahnung.
Wollte dann was essen, aber 2:30 am Hans-Böckler-Platz keine Chance, und auch eine Recherche ergab, nur der Nimet-Grill in Kalk hätte auf gehabt, oder La Strada in Lindenthal. Beides völlig außerhalb der Reichweite – jedenfalls hätte es 30€ gekostet, dem Türsteher – der hatte mich inständig gebeten, ihm was Herzhaftes zu besorgen, er sterbe vor Hunger – seinen Wunsch mittels Funkmietwagen und Hin- und Herfahrt zu erfüllen – da musste ich passen.
Also den Taxi-Fahrer nach einer Pauschale gefragt, weil ich nicht mehr als 15€ bereit war zu zahlen (auf Laufen aber keinen Bock hatte). Meint er, das macht er. Und stellte sich raus, er wohnt bei mir um die Ecke, machte dann Feierabend, und ja, es hätte mehr gekostet – auf der Auffahrt zur Zoobrücke waren die 15€ bereits überschritten, da hat er den Taxameter dann abgestellt. Schätze mal, es wären 25€ geworden; das ist mir vor 2 Jahren mal passiert, seitdem nie mehr Taxi gefahren.
Der Taxifahrer natürlich türkisch-kölsch, wie der auf der Hinfahrt auch, und eigentlich alle. 49, und sieht es so wie ich, wer nicht ausgeht, der geht ein. Er hatte einen erlesenen Musik-Geschmack, die Fahrt über gute Mucke und auch was wir beredet haben, prima — war ein Vergnügen mit ihm zu reden, und vielleicht sieht man sich bei Käptn Peng im Palladium.
Daheim, was zu Essen gemacht, und Lust gehabt, einen Tagebuch-Eintrag mit der Welt zu teilen.
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Filed under: Arbeit,chronologia - @ März 16, 2017 5:01 am
Schlagwörter: Begegnungen, Geld ausgegeben (zu viel), Harz 4, Köln, Kuhdorf, Musik, Stories aus einem interessanten Leben, Tanzen, Therapie, toller Tag, Unsortierte Eindrücke