Internet-Nostalgie II – Filesharing und Mp3
Als das Netz ausschließlich von Leuten betrieben und genutzt wurde, die technisch und intellektuell vorne waren und es darum ging, die Welt mit einer neuen ‚Schicht‘ zu versehen. Zwischen Menschen Verbindungen herstellen und Austausch ermöglichen unter verstreuten Einzelnen, das war einfach. Den DAUs bist du nie begegnet. Trolle waren ein Phänomen, aber handhabbar. Wenn es Infos gab, waren sie gewöhnlich von hoher oder mittlerer Qualität. Du hast etwas gesucht, und landetest auf einer Dissertation oder eine Diplomarbeit zum Thema, auf einer Fan-Seite oder dergleichen. Alles, was im Internet war, konntest du einfach runter laden, da hat nie jemand drauf geschaut. Heute: Das Internet ist heute leider wie das „richtige Leben“ -voller wertlosem Plunder, falschen und unrichtigen und irrelevanten Aussagen, Fallen und Betrug, Verbrechern, abkassierenden Abmahn-Anwälten, den Geheimdiensten, der Polizei – und natürlich den Volldeppen. Alles kostet, überall Paywalls. Und die Stellung und Funktion der Suchmaschine, da hat Google die Welt sehr verändert. Aus der Filterblase kommst du nicht raus, es werden gar keine wirklichen Web-Suchen mehr angezeigt, sondern ein kleines Segment hoch aufgearbeiteter und durchgefilterter Inhalte, und es geht nicht mehr darum, dir gute Treffer zu bieten, sondern dich zu analysieren, zu zensieren sowie deine Daten – praktisch un-nachvollziehbar – an andere zu liefern (der Staat bezahlt nicht, beansprucht aber alles) bzw. zu vermarkten (Wirtschaft) sowie an Kriminelle weiter zu geben (immer wieder gelangen riesige Datensätze durch ‚Sicherheitslücken‘ in die interessierte Öffentlichkeit).
Zurück zu dem, was mal gut war: Großartige Entwicklungen wie Napster, Audiogalaxy und last.fm wurden gebaut. Filesharing erweiterte die realen Möglichkeiten, Musik und Filme kennen zu lernen. Vor allem war sehr vieles kostenfrei und sauber und weit weg vom Geschäfte machen — wenn du den Porn-Bereich (das Kerngeschäft des Internet) gemieden hast.
Die Anfangsphase (1984-1994) war was für Pioniere – Computer hatten in Deutschland nur wenige, vor allem keine richtigen PC’s. Dann kam die Umstellung und der Hype. 2001 war es dann vorbei mit der Startup-Blase. 10 Jahre später hat sich der Fokus verändert: Politik und Wirtschaft wollen das Internet kontrollieren, das Recht durchsetzen, die Anarchie beenden. Mit Auswüchsen, die einigermaßen absurd sind. Beispielsweise ist es riskanter, wenn du ein Computerspiel illegal herunterlädst (falls es von einem Abmahn-Anwalt überwacht wird, wirst du auf jeden Fall abgemahnt – Ladendiebe dagegen werden eher selten erwischt), als wenn du die entsprechende DVD im Laden klaust. Ist mir passiert mit GTA 5: 170€ für einen Anwalt, der dem gegnerischen Abmahn-Anwalt Einhalt gebietet. Das Spiel hätte im Laden 30-50€ gekostet. Der Diebstahl mit Erwischt-werden auch etwa 50€ Bearbeitungsgebühr sowie Einstellung des Verfahrens mit Geldauflage. Wenn du arm bist, liegt der Tagessatz bei 10-20€ (was irre viel ist, weil du nur 6€ am Tag als Harz-4-Mensch ausgeben kannst). Aber es kommen dann vielleicht 250€ zusammen, wobei wie gesagt die Chance, damit durch zu kommen, sehr viel besser ist, als wenn du torrents benutzt.
Zurück zum Thema. Früher war zunächst Napster und Audio-Galaxy eine wunderbare Welt des Mp3-Sammelns. Das wurde kaputt gemacht (und die unrühmliche Rolle von Metallica in dieser Scheisse werde ich nie verzeihen!). Dann wurde last.fm eine Fundgrube für neue Musik, die großartig ist. Die Möglichkeiten, ähnliches zu finden und mit Freunden in Kontakt zu treten – Freund war jemand, der ähnliche Sachen gut findet – waren eng an die tatsächliche Musik-Nutzung gekoppelt, und es war leicht, sich die Musik zu besorgen, weil piratebay da war. Heute gibt es spotify und iTunes, und ja, das erreicht mehr Menschen, schließt aber zugleich auch mehr Menschen aus (nämlich die sehr sehr große Gruppe von Leuten, die zu wenig Geld für sowas haben).
Ich hatte vermutet, dass diese Geschichte mit der Kommerzialisierung daneben gehen würde – wohl zu Unrecht. Und ich hatte vermutet, dass es robustes File-Sharing mit Verschlüsselung und Schutz gegen Verfolgung geben würde, auf einem Level, den selbst Geheimdienste nicht ankratzen können.
Dazu eine Idee: Systematisch unmöglich machen von Überwachung als System-Paradigma. Ein Programm, was umfassend verschlüsselt. Eine Entkoppelung von Verzeichnis, Suche, Download und Usern. Sollte ungefähr so funktionieren: Eine Suche wird los geschickt, aber 1) es werden wie bei TOR viele zufällige Knotenpunkte angefragt (wer wonach sucht, ist NUR für den Suchenden ersichtlich – wer gefragt wird, erkennt der User nicht, und von wem die Anfrage kommt, weiß das gefragte System nicht, ebenso ist verdeckt, von wo und wie die Datei geliefert wird) und es wird 2) dauernd Datenmaterial verteilt (in Masse! redundant!), wobei 3) ständig Distraktoren eingefügt werden (Milliarden von Dateien, die für die Industrie, den Staat und die Sicherheitsdienste sehr relevant sind, weil sie eben die gesuchten Schlüsselwörter enthalten – in zufälligen Verschlüsselungen, die enorme Auswertungszeiten benötigen). Durch die Masse und die Vielzahl der ‚bösen‘ Pakete ohne wirklich relevanten Inhalt sowie die erheblich gesteigerte Schwierigkeit einer Massenabmahnung oder Massenverfolgung bestünde die Möglichkeit, dem Einhalt zu gebieten, letztlich nur in einem Verbot dieses Programms. Zumal es möglich wäre, stets auch noch einen IP-Sprung einzubauen, also den Ausgangspunkt der Aktion genau dahin zu legen, wo weltweit die geringste Chance besteht, dass es genau dort zu einer staatlichen Reaktion kommt. Das würde allerdings gleich mal 40€/Monat kosten, es sei denn, man bekäme das hin, dass Leute untereinander zufällig die IP tauschen bzw. sich untereinander als Proxy verfügbar machen – das ginge, wenn es für Leute in entsprechenden Ländern lohnend wäre – oder wenn das Programm halt nur so funktioniert. Dann würde es so gehen: Eine Suchanfrage wird immer von einem möglichst geo-politisch weit entfernten und internet-politisch möglichst freien Erdteil aus gestellt, also USA-IPs landen in Europa und umgekehrt, womit die Wahrscheinlichkeit, das es eine systematische IP-Überwachung nach Inhalten gibt, erstmal gegen Null ginge. Das Programm funktioniert nun so – es kopiert ständig alle Dateien überall hin, wobei es die Dateien so verteilt, das seltene Dateien begünstigt und oft vorhandene weniger stark verteilt werden, mit dem Ziel, Vollständigkeit zu erreichen und zu erhalten. Alle Spiele, E-Books, Filme, Musikstücke der Welt werden so kostenfrei und unzensiert allen Menschen zugänglich gemacht. Der Nachteil einer solchen Lösung – es werden Berge von Schrott produziert und verteilt, um darin das zu verstecken, was wesentlich ist. Daten-Sparsamkeit wäre als Thema damit durch. Und eine Nutzung via Handy vermutlich fraglich. Was das Projekt wenig nützlich erscheinen ließe, denn die Handys sind die Plattform der Zukunft, nicht der Desktop.
Ähnliche Beiträge
Filed under: Informatik,Musik,Politik und Wirtschaft - @ Oktober 30, 2016 12:11 pm
Schlagwörter: Filesharing, Idee für ein Programm, Internet-Nostalgie, Netzwerke, Zensur