Der kleine gelbe Bagger
Sich verabschieden. Etwas los lassen. Da war eine Zeit, und da war ein Ding, und die sind verknüpft. Es war so wunderschön, und es ist schon lange vorbei, und die Dinge habe ich aufgehoben, als die gemeinsame Zeit mit meinem Jungen in meiner Wohnung vorbei war. Jedes davon erinnert mich.
Nun ist aber das Kind groß und der Kram aus der Kleinkinderzeit steht im Weg, und nur meine bescheuerte Psycho-Macke hindert mich daran, den Platz frei zu räumen für ein altersangemessenes neues Kinderzimmer.
Komme ich in Kontakt mit meinen Gefühlen, dann fange ich sofort an zu weinen. Genau das ist mir eben passiert, als ich diesen Plastik-Bagger in den Händen hatte.

Lukas am Meer in Dänemark, das war mit seiner Mutter und ohne mich. Der gelbe Bagger war aber mit.
Der kleine gelbe Bagger (und das gleichnamige Buch) sind dermaßen zum Symbol für diese schmerzlich vermisste, zuckersüße Zeit mit dem Lukas als kleinem Kind geworden – mit Abstand das Schönste, was ich erlebt habe, Fürsorglichkeit und Liebe zu geben und ein neues Leben wachsen zu sehen, sich selbst in diesem Spiegel sehen und innere Kindheit noch mal außen zu erleben – absolut großartig. Was für eine liebe Seele dieser kleine Mensch in sich trägt.
Ich wollte den Lukas so gerne sein Leben lang begleiten, für ihn viel da sein und mit ihm Dinge unternehmen, Interessen verfolgen, ihm ein wenig die Welt zeigen und sowas. Die letzten Jahre war es aber so, dass ich es nicht konnte, und ich bin nur wenig Zeit ein guter Vater gewesen – gerade den Kontakt und die Bindung habe ich erhalten, nicht aber den Teil an Erwachsenen-Aufgaben geschafft, den ich eigentlich hatte übernehmen wollen.
Mein Sohn ist heute sehr anders, er analysiert mich und weiß genau Bescheid, und er macht sich um mich Sorgen, was mir natürlich gar nicht behagt. Er freut sich riesig, wenn er mich sieht und wir was gemeinsam machen, und es fehlt ihm, wenn es nicht da ist. Gleichzeitig läuft sein alltägliches Leben ganz ohne mich: Mutter und Zweitvater machen einen wirklich guten Job, strampeln sich ab und geben alles, und ich bin in diesem Zusammenhang praktisch nutzlos.
Es ist beschämend, wie ich nur um meine kaputte Psyche kreise und aus dem Labyrinth von angefangenen, aber nie zu Ende geführten Projekten – was habe ich nicht alles vor gehabt! – nicht recht heraus finde. Begleitend ein Berg von Dingen, die die zu bearbeitenden Themen manifestieren.
Wo kam ich entlang? Als junger Mensch war ich wütend – auf meine Eltern, den Staat, die Gesellschaft, die Welt. Da war eine krasse Diskrepanz zwischen dem, was meiner Ansicht nach sein sollte und dem was war. Rückblickend natürlich, da muss jedes menschliche Wesen durch, wir sind total eingewickelt in allerlei zwingende Beziehungen und Abhängigkeiten, der denkbaren Großartigkeit der Freiheit steht doch so einiges im Wege bei ihrer Entfaltung, vieles ist arg widersprüchlich und verwirrend, das Leben obendrein voller Ambivalenzen und scheinbar immer breit, einem die Lektion zu lehren, auf die man nun wirklich gar keinen Bock hat. Wie krass gesellschaftliche Steuerung und Staat sein können, sprich NS-Zeit, damit habe ich mich befaßt.
Geschichte zeigt, wie Herrschaft funktioniert. Demokratie erscheint als die bislang angenehmste Variante des Phänomens Staat. Als junger Mensch war der Staat für mich etwas letztlich verzichtbares und der Freiheit entgegenstehendes. Auch heute finde ich, zwischen der teilweise sehr guten Theorie (wie Staat und Wirtschaft sich global als gute Sache definieren und dem Gemeinwohl dienen) und der Praxis gibt es arge Lücken, vielleicht bloß mit der utopistischen Fußnote versehen, es könnte ja mal die Technik die Mängel von Unterversorgung und Unrecht besiegen … man stelle sich vor, eine Welt mit allem, was Kriege unnötig machen könnte. Ein Ende der Knappheit und des animalischen Kampfes ums Dasein. Klingt gerade wie Träumerei.
Heute bin ich extrem skeptisch, was die Veränderbarkeit der Welt im Großen angeht. Sie verändert sich täglich, na klar, aber nicht entsprechend irgendwelcher Gesetzmäßigkeiten und auch nicht getrieben von Leuten wie mir. Dafür spiele ich keine Rolle.
Was ich erkannt habe – es liegt an der Art, wie Leute funktionieren, wie soziale Mechanismen sich herausbilden. Da war dann Psychologie und Informatik spannend. Beides erklärt eine Menge von dem, was gesellschaftlich läuft, von der Psychotherapie ganz zu schweigen. Ein Mensch zu sein ist nicht einfach. Zu jeder gegebenen Zeit hat gerade ein Drittel der Bevölkerung eine Angst- oder Depressionserkrankung. Leute haben also Ängste und Leid: Einem nicht gerade kleinen Teil der Bevölkerung geht es nicht gut. Wenig überraschend auch die Erkenntnis, dass da vieles transgenerationale passiert ist. NS-Zeit und Krieg, das wirkt natürlich nach in die nächsten Generationen.
Heute ist die Welt eine andere. Allerdings glaube ich, für die Psyche ist jeder Platz geeignet, sich Himmel und Hölle daraus zu bauen, und ziemlich schmerzhaftes Leid kann aus Ursachen kommen, die zunächst eher harmlos erscheinen. Muss nicht Krieg sein. Ein wenig psychische Grausamkeit, ein wenig Versagung von wesentlichen Bedürfnissen, dazu ein paar kontraproduktive Glaubenssätze und ein wenig zufällige schräge Erlebnisse – das reicht schon aus für eine solide Neurose, natürlich in Kombination mit sexueller Frustration. Die wiederum ja praktisch recht normal geworden ist. Freud, Reich, da ist schon was dran. Natürlich trägt das Glück, was sich aus der geschlechtlichen Liebe und Partnerschaft heraus ermöglicht, uns nicht von alleine durch das Leben, es ist aber doch sehr erstrebenswert und wohltuend.
Allerdings entsteht – so war es jedenfalls bei mir – doch sehr viel Stress daraus, wie gemeinsame Verschiedenheit gestaltet wird. Zu eigensinnig, zu viel Ego, zu sonderbar für Beziehungen. Vielleicht auch einfach nur zu doof, sich zu sich selbst gut zu verhalten. Oder irgendwie nicht fähig, sich selbst richtig wahr zu nehmen und richtig einzubringen. Habe ich mich redlich bemüht, oder habe ich es an Eifer fehlen lassen? Zu viel gedacht und geredet und geträumt, zu wenig konkret dafür getan, zu wenig effektiv eigene Zeile umgesetzt, nichts Vorzeigbares erreicht: Frustrierend. Und wie bei den meisten solchen Leuten herrscht auch bei mir oft eine Stimmung von Rat- und Planlosigkeit vor. Das Leben füllt sich von selbst mit Ereignissen, und darin nicht unter zu gehen ist schon fast alles geworden.
Umso mehr klammere ich mich an Dinge, die mich an diese glücklichen Momente erinnern, die es eben auch und reichhaltig gab in meinem Leben. Da sind die Bücher – manifest gewordenes Interesse an der Welt, Zeugnisse meiner Studien, desgleichen die vielen Papiere und Zeichnungen und das ganze Zeugs. Was ich alles erforscht und erlernt habe. Wie ein Kind, das glaubt, dass es alles tun kann. Und, das alles interessant ist. Ist ja auch so, nur ist dafür nie Zeit sich mal eben mit allem zu befassen. Realitätsprinzip. Kannst du nicht beliebig verletzen, sonst wird es teuer.
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Filed under: Uncategorized - @ September 13, 2025 1:06 a.m.